Wilhelmine Reichard die erste deutsche Ballonfahrerin
Eine Sensation! Am 16.4.1811 erhebt sich in Berlin die erste deutsche Frau mit einem Ballon in die Lüfte – und landet sicher wieder auf der Erde: Wilhelmine Reichard. Sie stammt aus Braunschweig und ist gerade erst 23 Jahre jung. Angeregt und unterstützt durch ihren Mann, den Chemiker und Astronauten Gottfried Reichard, absolviert Wilhelmine zwischen 1811 und 1820 insgesamt 17 Ballonfahrten. Alle sind ein Abenteuer, aber nicht alle verlaufen so glücklich wie die erste. Am 30.09.1811 startet sie in Dresden. Das Wetter ist ungünstig. Dennoch wagt sie den Aufstieg. Wilhelmine erreicht eine Rekordhöhe von ca. 7800 m; sie verliert dabei das Bewußtsein. Der Ballon zerreißt. Sie überlebt den Absturz in der Sächsischen Schweiz. 5 Jahre später steigt sie erneut auf – in vielen deutschen Städten, aber auch in Prag, Brüssel und Wien. Von Kennern der Luftfahrtgeschichte wird Wilhelmine Reichard als Pionierin der Luftfahrt bezeichnet. Ihre wissenschaftlichen Beobachtungen und exakten Messungen während der Ballonfahrten sind überliefert. 1816 unternimmt sie bereits eine Zielfahrt von Berlin nach Fürstenwalde. Das ist ein Novum in der damaligen Zeit. Übereinstimmend wird von ihren Zeitgenossen die absolute Zuverlässigkeit Wilhelmines gerühmt. Sicher gehört zu den charakteristischen Stärken auch ihr Selbstbewußtsein, ihr Mut und ihr Sachverstand. Hinzu kommt ihr handwerklich – technisches Können. Jeder ihrer Ballonaufstiege wird, gemeinsam mit ihrem Mann, sorgsam vorbereitet und in ein publikumswirksames „Rahmenprogramm“ eingebettet: Abwurf von Fähnchen und selbstgefertigten Gedichten, Zur – Schau – Stellen des Ballons, Zeitungsberichte aus eigener Feder … Das sind nicht nur Zugeständnisse an das Publikum, Wilhelmine hat auch ganz ökonomische Gründe: Sie will ihren finanziellen Teil zum Bau einer chemischen Fabrik im Freitaler Ortsteil Döhlen beitragen. Und Ballonfahrten, zumal von Frauenzimmern, locken zahlende Zuschauer an und finden – geschickt vorbereitet – wohlhabende Geldgeber. 1820 ist es gar der österreichische Kaiser, der Wilhelmine großzügig in Prag und Wien belohnt. Aber welch innere Motivation hat diese kleine, zierliche Frau, wieder und wieder in die Lüfte zu steigen? Welche Träume hat sie? Sie sagt es so: „… gleich einem Sonnenstäubchen im Weltall schwebend, seiner Winzigkeit sich so augenscheinlich bewußt werdend – ein Augenblick, der, wie oft er sich mir auch noch erneuen möge, nie mich kalt lassen wird.“ Nach 1820 steigt Wilhelmine nicht mehr in die Gondel ihres Ballons. Ihre Familie läßt sich 1821 im heutigen Freital nieder. Wilhelmine schenkte 8 Kindern das Leben, 7 zog sie groß. 1848 starb sie, knapp 60jährig. Auf dem Friedhof Freital – Döhlen fand sie, ebenso wie ihr Mann 4 Jahre zuvor, ihre letzte Ruhestätte.
Aus einem Aufsatz von Frau Dr.phil. Heide Monjau Pohrsdorf Sachsen Germany Frauengeschichtswerkstatt Weißeritzkreis